Nach der Revitalisierung und Ergänzung um zwei Neubauten bietet der Helaba Campus zeitgemäße Büroflächen für rund 1.700 Mitarbeiter. Ein über 1.000 m2 großes Folienkissendach in schwebender Optik überspannt die neue Empfangshalle.
Das Gebäude am Kaiserlei in Offenbach wurde 1991 als Multi-Tenant-Gebäude in Betrieb genommen. 2017 erwarb es die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) – mit dem Plan, es zu sanieren. Nach der Präsentation der Architekten von BGF+ in Wiesbaden war klar: Die bestehende Gebäudesubstanz wird revitalisiert und zudem ergänzt.
Der bestehende Bau war als Kamm mit drei Fingern ausgebildet und für verschiedene Mieter angelegt. In der Folge waren die Wege zwischen den Gebäudeteilen lang, Brandschutz und Fluchtwege entsprachen nicht mehr den heutigen Bestimmungen. Für eine bessere interne Kommunikation, ein neues Bürokonzept und kurze Wege sowie mehr Sicherheit wurden zwei neue Baukörper in die offenen Fingerglieder der bestehenden Substanz gestellt.
Repräsentativer Empfangsbereich
Durch die Neubauten zwischen den Gebäudefingern entstehen im Erdgeschoss zwei große Innenhöfe. Einer ist nicht überdacht und lädt als begrünter Außenraum zur Pause ein. Der andere, nördliche Innenhof ist ca. 1.120 m2 groß und wird von einem Folienkissendach vollständig geschlossen. Dieses Dach liegt in Höhe des 8. Obergeschosses, sodass die Halle auf dem Niveau des Erdgeschosses eine Höhe von über 30 m hat.
Das neue Atrium dient als repräsentativer Empfangsbereich, als „Außenterrasse“ für die Cafeteria und das Restaurant, für Veranstaltungen, als Treffpunkt, Marktplatz, Wartebereich sowie offener Arbeitsbereich. Die ehemalige Außenfassade wird hier zu inneren Trennwand, deren Fenster sich weiterhin zur Halle hin öffnen. Die Innenwand des neuen Gebäudekörpers bringt mit ihrer raumhohen Verglasung Transparenz in das Volumen.
Bogenbinder in Überbreite
Das Tragsystem der Folienkissen-Konstruktion besteht aus unterspannten Bogenbindern im Abstand von etwa 3 m. Sie sind parallel zu den Innenhofwänden in Nord-Süd-Ausrichtung angeordnet. Auf der Rohrkonstruktion der Bogenbinder sind in regelmäßigen Abständen T-Konsolen aufgeschweißt, an denen eine Klemmkonstruktion aus Aluminium befestigt ist. Die T-Konsolen sind auch umlaufend am Innenhofrand vorhanden.
Zwölf annähernd rechteckige Folienkissen fachen jeweils die Fläche zwischen den Bogenbildern aus. So ergaben sich bis zu 3 x 27 m große Kissen aus vier Lagen ETFE-Folie des Fabrikats „Nowoflon ET 6235 Z“. Die vier Lagen bilden drei Luftkammern und bestehen aus bedruckter Oberfolie (d=250 μm) und bedruckter Mittelfolie 1 (d=150 μm) sowie transparenter Mittelfolie 2 (d=150 μm) und transparenter Unterfolie (d=250 μm).
Antiadhäsive Oberfläche
ETFE-Folie weist nach Herstellerangaben eine sehr gute mechanische Festigkeit insbesondere bzgl. Reiß- und Weiterreißfestigkeit auf. Sie bietet eine hohe Witterungsbeständigkeit und lässt sichtbares Licht und Licht im UV-Bereich hindurch. So entstehen Räume mit hoher Aufenthaltsqualität, die begrünt werden können. Die antiadhäsive Oberfläche sorgt für einen Selbstreinigungseffekt. Die Folie aus ETFE darf gemäß einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis in die Baustoffklasse schwerentflammbar (DIN 41 02-81) eingestuft werden. Für die Folie ist durch ein entsprechendes Prüfzeugnis der MPA Stuttgart der Nachweis erbracht, dass sie auch nach zwei- und fünfjähriger Bewitterung im Freien die Anforderungen der DIN 4102-16, Abschnitt 6.2, an Baustoffe der Klasse 81 (schwerentflammbar) erfüllt. Der Hersteller Nowofol definiert „Nowoflon ET“ als selbstlöschend. Am Ende der Produktlebenszeit sei die Folie zu 100 Prozent recycelbar.
Die Folienkissen werden durch eine speziell dafür gebaute Kompressoreneinheit pneumatisch vorgespannt, durch den Innendruck in ihrer Form stabilisiert und sind somit selbsttragend. Der planmäßige Stützluft-Innendruck pi beträgt in allen Innenkammern Pr = 300 Pa = 0,300 kN/m2. Im Lastfall durch Schnee mit einer Belastung von mehr als 0,25 kN/m2 wird über die Sensorik eines Schneehöhenmessers der Innendruck durch automatisches Umschalten des Gebläses auf 500 Pa erhöht.
Fest verschweißt
Am Kissenrand werden alle Folienlagen mit einer mindestens 250 μm dicken, 55 mm breiten umschlingenden Folie verschweißt. In diesem Keder liegt die Kederschnur. Der Randkeder der Folienkissen wird in ein umlaufendes Profil eingefädelt. Die Schweißnahtbreite am Randkeder beträgt mindestens 10 mm. Jedes Folienkissen wird an den Rändern mit dem Kederprofil an der Klemmkonstruktion befestigt.
Die Extrusionsrichtung der etwa 1.550 mm breiten Folienbahnen verläuft quer zu den Bogenbindern. Dementsprechend sind auch die erforderlichen Flächennähte von Bogenbinder zu Bogenbinder angelegt. Die Flächennähte oberen beiden Foliennähte sind als Stoßnähte mit Abdeckstreifen ausgeführt. Die Flächennähte der unteren beiden Folien sind als Überlappungsnähte gefertigt. Für die Realisierung eines Folienkissendachs wird grundsätzlich die vorhabenbezogene Baugenehmigung auf den vorliegenden Einzelfall angewendet.
Quelle: BGF+ Architekten, Wiesbaden; Redaktionelle Bearbeitung: Kirsten Posautz
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