Im luxemburgischen Belval befindet sich eine 120 ha große Industriebrache, die basierend auf Entwürfen des holländische Architekturbüros Jo Coenen in ein modernes Stadtviertel mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, einer Universität und Forschungseinrichtungen verwandelt werden soll. Weil die Industrieanlagen Teil dieser urbanen Umgebung werden sollten, wurden die beiden verbliebenen Hochöfen und weitere Gebäude der einstigen Hochofenstraße in das städtebauliche Konzept miteinbezogen.
Eines dieser Objekte ist die Möllerei, in der früher Koks und Eisenerz, der sogenannte Möller, lagerten. Das 1910 erbaute und Ende der 1960er-Jahre modernisierte Gebäude ist 164 m lang, 25 m breit und durchschnittlich 26 m hoch. Im Jahr 2000 wurde die Halle zu Füßen der Hochöfen in das „ergänzende Verzeichnis der nationalen Denkmäler“ eingetragen. Damit einher ging die Verpflichtung, sie zu erhalten. Ihre Umnutzung erfolgte in zwei Bauabschnitten: Der nördliche Teil über eine Länge von ca. 110 m wird seit September 2018 als Universitätsbibliothek beziehungsweise Luxembourg Learning Centre genutzt. Das verbleibende Drittel hat das Architekturbüro BFF architecture & urbanisme, Luxemburg, in einem weiteren Bauabschnitt zwischen März 2020 bis Februar 2022 zu einer Veranstaltungs- und Ausstellungsfläche umgebaut.
Möllerei bleibt im Zustand der 1970er Jahre
Oberste Prämisse der Sanierung und Umnutzung der Möllerei war es, das Gebäude im bauzeitlichen Zustand von 1970 zu erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt ersetzen neue Bleche die korrodierte Metallverkleidung der Fassade. Auch das Dach wurde erneuert. Auf eine Wärmedämmung nach heutigen energetischen Anforderungen verzichtete man jedoch bewusst: „Es wurde damals entschieden, dass wir das Gebäude gegen äußere Witterungseinflüsse schützen, dass aber eine Innentemperatur von circa 12 bis 15 °C für die Nutzung als Veranstaltungs- und Ausstellungshalle ausreichend ist“, erläutert Julia Nockemann von BFF. „Zudem wollte der Bauherr die Fensterbänder optisch möglichst unverändert beibehalten“. Weil die Denkmalpflege die Aufrechterhaltung des äußeren Erscheinungsbildes höher wertete als die energetische Sanierung, tauschte man die Fensterbänder beider Längsfassaden sowie die der Giebelfassade schließlich gegen das ungedämmten Stahlprofilsystem Jansen-Economy 50 aus. Zudem blieb die Heizungsanlage angesichts des industriellen Charakters des Gebäudes auf ein Minimum reduziert – was aber die Durchführung von Veranstaltungen in der kalten Jahreszeit nicht ausschließt: Bereiche, in den Veranstaltungen stattfinden, sind mit wärmegedämmten Profilen ausgeführt.
Die Umnutzung der Möllerei zu einem öffentlich zugänglichen Ort erforderte einige bauliche Veränderungen, die über die statische Ertüchtigung und die Sanierung des Bestands hinausgingen. Unter anderem fügten die Planer ein neues Treppenhaus mit Aufzugsanlage ein sowie Rampen und Stege, die Besuchern einen Rundgang durch das Industriedenkmal ermöglichen. Seit Abschluss der Sanierungsarbeiten wird hier auf knapp 400 m² anhand von digitalen und interaktiven Installationen die Funktionsweise des Hochofens A dokumentiert. Sein guter Zustand ermöglichte eine vollständige Konservierung, während Hochofen B lediglich als Hülle erhalten blieb. Als identitätsstiftende Industriedenkmale erinnern sie an die Bedeutung der Eisen- und Stahlindustrie im 19. und 20. Jahrhundert.