Mit der Swarovski Manufaktur schuf Snøhetta ein Kristallatelier, das ohne Glamour auskommt, dafür aber umso mehr Lab-Atmosphäre ausstrahlt. Durch „co-creation“ und „rapid prototyping“ bietet die tageslichtdurchflutete Halle, ein Hybrid aus Produktionsstätte und innovativem Kreativzentrum, neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Kunden.
Eigenartig ist es schon, ein Gebäude zu besichtigen, das keine offensichtliche Fassade hat. Als Journalist sucht man für gewöhnlich zunächst den Zugang zu einem neuen Projekt von außen, man nähert sich Schritt für Schritt der Funktion des Neubaus, der Intention des Architekten. Bei der Swarovski Manufaktur aber läuft der Annäherungsprozess in umgekehrter Reihenfolge. Mangels eigener Schaufassade überwältigt der Neubau quasi mit einem Paukenschlag von innen heraus, sobald man das vorgeschaltete schmale Bürogebäude Campus 311 durchquert und die Zugangstreppe ins Obergeschoss erklommen hat. Bäng – da ist es, das schon beinahe sehnlichst erwartete Funkeln, das zu Swarovski gehört, wie ein Schlüssel zum Schloss. Doch keine Kristalle strahlen dem Besucher entgegen, sondern leuchtende Lettern im Großformat an der gegenüberliegenden Hallenwand: „Everything you want is on the other side of fear“. Und das ist es, was das Gebäude ausmacht: Hier ist alles möglich.
Swarovski geht neue Wege
Snøhetta entwickelte für den Tiroler Kristallhersteller Swarovski in einer Gebäudelücke am Firmenstandort Wattens bei Innsbruck einen Hybrid für Produktion und kreative Zusammenarbeit, für Präsentation und Repräsentation. in der Manufaktur bleibt die entscheidende Vorstufe des Glasschmelzens vor den Augen der Besucher verborgen. Alle darauf folgenden Produktionsprozesse sind jedoch in Kleinserien oder zur Herstellung von Prototypen möglich. Diese neue Typologie ermöglicht in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden, innovative Wege, kreativ-visionäre Prozesse mit technischen Vorgaben und Notwendigkeiten der Kristall-Produktion abzustimmen. Design und Produktion, Produktentwicklung und die Entwicklung neuer Kristall-Anwendungen finden an einem Ort statt.
Kreativer Prozess vor Ort
Die Manufaktur ist also in erster Linie ein Ort für innovative Kooperationen. Deswegen fokussiert der Entwurf nicht auf die Produktionsprozesse, die zentraler Bestandteil der Manufaktur sind, sondern auf die Atmosphäre und den Raum. Denn es braucht vor allem eine inspirierende und anregende Umgebung, um Visionen zu fördern.
Kristall lebt vom Licht
Snøhetta verzichtete bewusst auf eine formale Interpretation kristalliner Formen. Vielmehr ging es um ein Spiel mit den flüchtigen Momenten, die Kristall zum Funkeln bringen. Es ging also in erster Linie um die Inszenierung von Tageslicht. Patrick Lüth, Managing Director des Innsbrucker Snøhetta-Studios und Projektverantwortlicher, erklärt: „Es ist ein Raum mit unglaublich viel Tageslicht, wie in keiner anderen Produktionsstätte. Kristall beginnt mit Licht zu leben. Für uns ist diese gewaltige Präsenz des Tageslichts der wichtigste ästhetische Aspekt des Gebäudes.“
Das Tageslicht kommt über Öffnungen in der Decke, so genannte Kassetten, in den großzügigen Raum, dessen Grundriss nicht orthogonal, sondern trapezförmig zugeschnitten ist. In der Deckenkonstruktion befinden sich 135 Tageslichtöffnungen, wobei das Verbundglas außen mit einer Sonnenschutzbeschichtung und innen mit einer diffusen Folie versehen ist. Der Glasaufbau streut das Sonnenlicht und ermöglicht so ein hohes Maß an indirekter Beleuchtung. Die stützenfrei konzipierte, weiß lackierte Stahl-Konstruktion in einem leicht verdrehten Raster von 6 m x 3 m ist mit perforierten Akustik-Paneelen aus Metall verkleidet, hinter denen sich die komplette Haustechnik verbirgt. Die Deckenverkleidung und die Deckengeometrie sorgen trotz Maschinenlärm für einen reduzierten Lärmpegel in der Halle, der Konversation in normaler Lautstärke zulässt. Zudem trägt die aufgeräumte Deckenansicht wesentlich zum cleanen Lab-Charakter bei, der den Architekten wichtig war. Deshalb bekamen auch einige der älteren Produktionsmaschinen eine neue Lackierung in Weiß.
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