Im Auftrag der Stiftung Zollverein hat die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG hat gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP eine Machbarkeitsstudie für die klimaneutrale Wärme- und Energieversorgung des fast 100 ha großen Areals erstellt. Derzeit finden eine Bestandsaufnahme und Analyse der Gebäude auf dem weitläufigen Gelände statt. Im Oktober sollen die Experten-Empfehlungen der Experten vorliegen. Ziel ist, dass das UNESCO-Welterbe Zollverein ab 2030 klimaneutral sein soll. So erklärt Prof. Dr. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein: „Als Zukunftsstandort und Reallabor möchten wir ein modernes und nachhaltiges Welterbe weiterentwickeln und damit als Leuchtturm für die Region und andere Welterbestätten stehen. Deshalb stellen wir uns der Herausforderung, einen historischen und denkmalgeschützten ehemaligen Industriekomplex klimaneutral zu betreiben.“
Das Fraunhofer-IEG-Team untersucht dazu Möglichkeiten, den Wärme- und Energieverbrauch durch Optimierung von Gebäuden und ihrer technischen Ausrüstung zu reduzieren, die Effizienz der Energieversorgung zu steigern und gleichzeitig mehr lokale erneuerbare Energien, z. B. über Wärmepumpen, einzubinden. René Verhoeven, Projektleiter beim Fraunhofer IEG und Operational Manager des Competence Centers „Bergbaufolgenutzung“: „Wir wollen alle vorhandenen über- und untertägigen Energiepotenziale nutzen. So könnte etwa die Temperatur des Grubenwassers, die bei 28 bis 35 °C liegt, für die Wärmeversorgung eingesetzt werden. Hier denken wir vor allem an Kombinationen mit Wärmepumpen. Damit können wir den ehemaligen Kohlebergbau zum Wärmebergbau transformieren.“ Das Fraunhofer IEG sieht sich nach eigenen Angaben mit seinem Know-how etwa in den Bereichen Grubenwasser, Energie- und Wärmespeicherung, Großwärmepumpen, Sektorkopplung sowie Berg- und Wasserrecht für diese Aufgabe gut aufgestellt. Die Experten der beteiligten Fraunhofer-Institute analysieren derzeit am Standort vorliegende Rahmenbedingungen wie das Grubenwasser und dessen chemische Zusammensetzung, den Energiebedarf und die erforderliche thermische Leistung der Liegenschaften des UNESCO-Welterbes Zollverein sowie der benachbarten Bergwerksstrukturen. Dabei schließen sie das Wasserhaltungskonzept der RAG AG mit ein.
Das Fraunhofer IBP bringt parallel dazu langjährige Erfahrungen bei der Entwicklung digitaler Modelle von komplexen Gebäude-Strukturen, der energetischen Bewertung von Gebäuden, der Entwicklung von kostenoptimierten Sanierungsstrategien sowie der Nutzung von Photovoltaik und/oder Solarthermie in denkmalgeschützten Ensembles ein. Hierbei sind Fragen der baulichen Integration von Sanierungsmaßnahmen, Schutz des überlieferten Erscheinungsbilds sowie abgestimmte Lösungen zur Vermeidung potenzieller Schäden durch ein verändertes Innenraumklima zu berücksichtigen.
Transformation einer Industriebau-Ikone
1928 begann der Neubau einer kompletten, als Zentralförderanlage konzipierten Schachtanlage. Die Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer gestalteten die Anlage, die als architektonische und technische Meisterleistung galt und richtungweisend für den sachlich-funktionalen Industriebau wurde. Die heutige Kokerei Zollverein entstand zwischen 1957 und 1961. Nach der Stilllegung des Industriekomplexes arbeitete das Land NRW an der Umnutzung des Geländes als Industrie- und Kulturdenkmal, seit 2008 liegt diese Aufgabe bei der Stiftung Zollverein. Das UNESCO-Welterbe Zollverein zieht heute jährlich bis zu 1,6 Millionen Besucher an. Mehr als 150 Unternehmen haben sich angesiedelt.